Schwetzinger Zeitung, Montag, 14.04.2014
Lutherhaus: Der Chor „Alive Vocals“ verzaubert die Konzertbesucher mit abwechslungsreichem Programm / Gastchöre zeigen Auszüge ihres Repertoires
So vielfältig kann der Frühling klingen
Von unserem Mitarbeiter Markus Mertens
Die Tür geht auf und wir nehmen Platz auf der Couch namens Lutherhaus. Ja, Sie lesen ganz recht - nicht mehr der dunkle Saal mit hoher Bühne ist uns vor Augen. Zum Wohnzimmer, in dem wir uns kaum wohler fühlen könnten, wenn wir die besten Freunde träfen, wird der Raum mit den "Frühlingsstimmen" von "Alive Vocals". Doch nicht einfach nur mit heiteren Tischgesprächen, sondern musikalischer Unterhaltung erster Güte.
Robert Weschel als Höhepunkt
Und mit dem "Chicago"-Hit "All that Jazz" prägen sie sich auch sogleich unauslöschlich in unsere Erinnerung. Dieser geschmeidige, erdige Klang, der selbst dann groovt, wenn er gerade nur Rhythmus ist - einfach herrlich! Dann noch ein "For the longest Time", das Robert Weschel mit seiner unverwechselbar hohen Stimme als Solist zum Höhepunkt des ganzen Konzertes werden lässt und der Brocken schlägt ein. Hier, nimm das! Doch die Damen von "PlankTon" zeigen sich unter Claudia Böhmer alles andere als entsetzt und unterlaufen die polierte Perfektion schlichtweg mit kräftiger, zügelloser Emotionalität. Immerhin weiß man hier ganz genau: "Ich will keine Schokolade, ich will lieber einen Mann". Die Chance auf den ein oder anderen neuen Bewunderer wird sich das Ensemble allenthalben gesichert haben, denn wer den mehrstimmigen Verschränkungen bei Coldplays "Viva la vida" aufmerksam lauscht, weiß, dass Freiheit in der Luft liegt.
Ein kurzer Zwischenruf. Soyun Choi liefert am Steinway ihr Feuerwerk zwischen Blues und Soul ab. Die ganze Zeit ist ihre Begleitung mehr Hintergrundrauschen, doch in diesem Augenblick, da sie ihre "jazzige Weise" darreicht, herrscht andächtige Stille. Als sei das gerade Gehörte spontane Inspiration gewesen, breiten "Women's Voice" aus Neulußheim ihre Schwingen aus. Mit Pat Benatars "We belong" taucht man bebend-intensiv in das sanfte Dunkel der beginnenden Nacht hinein, lässt den Song zum obsessiven Hörerlebnis später Samstagabendstunden werden. Was Wunder, dass der Chor da das selbst geschriebene "Träume brauchen Flügel" zum poetischen Schluss wählt.
Hier gibt es keine Verlierer
Zeit für letzte Worte - die Soli sind dran und da nehmen "Alive Vocals" noch einmal Maß. Mit Nicki Falk, die "Gabriella's Song" aus dem Kino-Drama "Wie im Himmel" zum mutigen Bekenntnis einer starken Frau macht. Mit Ute Rebennack, die ein derart krachendes "What a wonderful World" anzubieten hat, das Gänsehaut weckt. Und mit Astrid Kaberna, die gemeinsam mit Siegbert Doll ein aufrichtig berührendes "Mehr will ich nicht von dir" aus dem "Phantom der Oper" zum Besten gibt. Die Anweisung wird zur Frage: Was gibt es bei diesem Konzert eigentlich mehr zu wollen? Wenn es keine Verlierer gibt, weil jeder in seiner Sache sang, ohne den anderen dabei zu zerlegen, ist die bestmögliche Antwort: nichts.
Vielleicht wird so ein Schuh draus: Als alles vorbei ist, hält Vera Pfannenstiel ihren Blumenstrauß in Händen, steht ganz gerührt da und hat diesen einen Satz für uns: "Ich danke euch allen - ihr seid so unbeschreiblich gut!" Dem ist nichts hinzuzufügen.
© Schwetzinger Zeitung, Montag, 14.04.2014